Warum gibt es die Verfahrenspflegschaft?

Mit Änderung des Kindschaftsrechts 1998 wurde in § 50 FGG (Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) die Verfahrenspflegerin oder auch der Verfahrenspfleger - gelegentlich auch "Anwältin / Anwalt des Kindes" genannt - als Interessenvertretung in familien- und vormundschaftsrichtlichen Verfahren verankert. Grund hierfür ist, dass auch Kinder und Jugendliche eigene Bedürfnisse haben, die vor Gericht Gehör finden sollen.

So soll das Kind oder der Jugendliche die Möglichkeit haben, alters- und entwicklungsgemäß seine Meinung bilden und diese frei äußern zu können.

Hierbei wird das Kind oder der Jugendliche von der Verfahrenspflegerin unterstützt und ermutigt, denn ihre Aufgabe ist es, die Interessen des Kindes oder des Jugendlichen im Gerichtsverfahren neben den anderen Beteiligten - wie z.B. den Eltern oder dem Jugendamt - zu vertreten.

Dabei tritt die Verfahrenspflegerin neben die gesetzlichen Vertreter und nicht an ihre Stelle, so dass keine Entziehung des Vertretungsrechtes stattfindet.

Wann braucht das Kind eine Verfahrenspflegerin?

Der Einsatz der Verfahrenspflegerin begrenzt sich auf den Zeitraum des gerichtlichen Verfahrens. Sie wird von einer Richterin bzw. von einem Richter in gesetzlich vorgeschriebenen Fällen oder auf Anregung anderer Verfahrensbeteiligter bestellt und dem Kind oder dem Jugendlichen zur Seite gestellt. Dies soll insbesondere dann geschehen, wenn zu erwarten ist, dass die Interessen des Kindes oder des Jugendlichen nicht mit denen seiner gesetzlichen Vertreter in Einklang stehen.

Im Einzelnen können dies folgende Verfahren sein:

  • streitige Sorgerechtsverfahren bei Trennung der Eltern
  • Sorgerechtsentzug bei Gefährdung des Kindeswohls
  • Wegnahme des Kindes von Pflegepersonen
  • Umgangsregelung zwischen Kind, Elternteilen und anderen Bezugspersonen
  • Adoptionen

In Fällen, in denen es um die Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie oder einer Jugendhilfeeinrichtung geht, wird eine Verfahrenspflegerin gem. § 70b FGG bestellt.

Welche Leitlinien befolgt eine Verfahrenspflegerin?

Die Verfahrenspflegerin als Interessenvertreterin des Kindes oder Jugendlichen

  • steht dem Kind oder dem Jugendlichen parteilich zur Seite,
  • tritt für eine vorübergehende Zeit an die Seite des Kindes oder des Jugendlichen,
  • erklärt altersgemäß ihre Rolle und Funktion und erläutert den Anlass der Kontakte,
  • arbeitet sowohl eigenständig als auch unabhängig von anderen Verfahrensbeteiligten und ist nicht weisungsgebunden,
  • erarbeitet gemeinsam mit dem Kind oder dem Jugendlichen dessen Vorstellungen und tragfähigen Wünsche,
  • dokumentiert die Interessen und bringt diese deutlich in das Gerichtsverfahren ein,
  • berücksichtigt das kindliche Zeitempfinden und versucht, unnötige und schädliche Zeitverluste zu vermeiden,
  • erarbeitet im Interesse des Kindes oder des Jugendlichen Lösungsvorschläge, gibt Anregungen im gerichtlichen Verfahren oder stellt Anträge,
  • macht dem Kind oder dem Jugendlichen deutlich, wann das Verfahren und damit die Tätigkeit der Verfahrenspflegerin beendet ist.

Wie arbeitet eine Verfahrenspflegerin?

Die Verfahrenspflegerin tritt in persönlichen Kontakt mit dem Kind oder dem Jugendlichen und ist bestrebt, eine Beziehung zu ihm herzustellen.

Sie erarbeitet gemeinsam mit ihm dessen Wünsche und Vorstellungen und teilt diese dem Gericht schriftlich mit. Sie begleitet das Kind oder den Jugendlichen zu einer eventuellen Kindesanhörung und nimmt an den Gerichtsverhandlungen teil.

Das Ergebnis des Gerichts bespricht die Verfahrenspflegerin mit dem Kind oder dem Jugendlichen, und sie entscheiden gemeinsam, ob dieses tragfähig ist.